Die politische Situation des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation war seit dem 15. Jahrhundert von deutlichen Verfallserscheinungen geprägt.
Dies betraf zunächst das äußere Erscheinungsbild : z.B. löste sich die Schweizer Eidgenossenschaft aus dem Verband (wurde jedoch erst 1648 mit dem westfälischen Frieden anerkannt).
Weltkarte um 1550
In Nordosten war der Deutschordenstaat dem polnischen König lehenspflichtig, dem Kaiser aber verbunden. Da dies zu Konflikten führte, man 2 Herren nicht dienen kann, wurden Teile des Deutschordenstaates von den Polen unterworfen. Die Homogenität Europas brach durch die starken nationalistischen Bemühungen verschiedener Territorien auf. Vor allem Frankreich und Spanien wurden zu starken autonomen Nationen. Die außenpolitische Auseinandersetzung Kaiser Karl V. mit Frankreich während des 1. Jahrzehnts der Reformation, schwächte die innenpolitische Macht des Kaisers.
Gleiches galt für die Auseinandersetzung mit dem erstarkten Türkischen Reich. War 1453 Konstantinopel gefallen, so stellte dies nur ein Datum der außerordentlichen Machtentfaltung der Türken dar.
Nach zahlreichen Eroberungen in Kleinasien dehnte sich das Türkische Reich weiter nach Westen aus. Der Bereich der unteren Donau (heutiges Ungarn), große Teile der Mittelmeerländer und Nordafrikas waren bereits erobert worden oder zumindest zu einer Berührungszone zwischen Türken und den Habsburgischen Kaisern geworden.
Letztlich trägt auch die sich verändernde innenpolitische Situation zu dem Bild des krisengeschüttelten Reichs bei. Die Einheit des christlichen Staates war durch die Jahrhunderte währenden Auseinandersetzungen zwischen Kaisern und Päpsten de facto schon aufgelöst. Die dadurch stärker in den Händen der Kaiser ruhende Innenpolitik wurde jedoch mehr und mehr von kleineren politischen Gruppierungen beansprucht.
Die stärkste Gruppe unter ihnen waren die wirtschaftlich und politisch an Einfluß gewinnenden Fürstentümer.
Bekämpften sich zunächst die einzelnen Fürstentümer untereinander, während der Kaiser tatenlos zuschaute, entwickelten sie sich später zu einer relativ uniformen politischen Macht.
Ein erster Gipfelpunkt dieser Geschehnisse war die Einrichtung des Reichsregiments im Jahre 1500, das sich aus 20 Reichspolitikern zusammensetzte. Diesem "Staatsrat" gehörten der Kaiser als Vorsitzender mit zwei Vertretern des kaiserlichen Hofes und 17 Repräsentanten der Fürsten und Stände an. Kaiser Maximilian der I., während dessen Regierungszeit (1493-1519) diese Reichsreformen vorgenommen wurden, zählt in der Geschichtsschreibung als letzter Ritter unter den deutschen Kaisern und als Mäzen der Humanisten.
Er hat das Reichsregiment, das den Fürsten ein hohes Maß an politischer Macht zubilligte, formal bald wieder aufgelöst und verfolgte sein Ziel, alleiniger Herrscher zu sein. Das ging so weit, daß er 1513 selbst Papst werden und die kaiserliche Krone mit der päpstlichen Tiara verschmelzen wollte.
Jedoch bestand der Dualismus Kaiser-Fürsten weiter. Dies wurde daran deutlich, daß der Kaiser im Jahre 1521 (nunmehr Kaiser Karl V.) das Recht besaß, Edikte zu verhängen. Hier ist beispielsweise das Wormser Edikt zu nennen, das über Luther die Reichsacht verhängte und ihn für vogelfrei, d.h. durch jedermann ohne Strafverfolgung zu töten, erklärte.
Die Umsetzung dieses Ediktes, das darüber hinaus auch jede Form der Ausbreitung der Reformation unterbinden wollte, war jedoch von der Zustimmung der Fürsten abhängig. Da also die Durchführung des Wormser Ediktes vom Reichsregiment vollzogen werden mußte, dies jedoch nicht geschah, ist es von Reichstag zu Reichstag aufgeschoben worden. Auf dem Reichstag zu Speier 1521 wurde den Landesherren zugebilligt, selbst darüber zu entscheiden.
So entstand ein Raum, in dem sich das geschichtliche und theologische Phänomen Reformation ausbreiten und überleben konnte.