"Was aber schafft dem ganzen Menschengeschlecht größerern
Nutzen als die Wissenschaft? Keine Kunst, kein Handwerk, ja nicht
einmal die Früchte selber, die durch die Erde hervorgebracht
werden, auch nicht die Sonne, die viele für die Schöpferin
des Lebens halten, ist nötiger als die Wissenschaft."
Die Schulgründung in Nürnberg 1526
Wandgemälde von August Groh (1871-1944)
im Melanchthonhaus Bretten, 1920/21
Dies ist ein typisches Zitat des Wittenberger Universitätsprofessors
Philipp Melanchthon. Für ihn war die Wissenschaft der Schlüssel
für die Erkenntnis der Welt und ihrer Ordnung und der Schlüssel
zur Erkenntnis Gottes. Schon als Knabe hat er sich an der Universität
mit wissenschaftlichen Studien beschäftigt. Der Einfluß
der Humanisten auf sein Denken war sehr groß. Früh
erkannte der berühmte Erasmus von Rotterdam die Begabungen
Melanchthons. Er schrieb im Jahre 1516:
"Welche Hoffnung gewährt dieser junge Mann, ja, dieser Knabe! Welcher Scharfsinn der Erfindung, welche Reinheit der Sprache, welche reife Belesenheit!"
Das humanistische Ideal der Sprachbeherrschung hat er schon früh verinnerlicht. Im Blick auf die klassischen Sprachen ist vor allem sein Lehrbuch über die griechische Grammatik (1518) von Bedeutung. Es hatte in vielen Schulen Geltung bis ins 18. Jahrhundert.
"Wenn wir nämlich gewisse Richtlinien des sprachlichen Ausdrucks nicht gründlich lernen, können wir weder unsere eigenen Gedanken darlegen, noch die Schriften aus früherer Zeit verstehen."
Die Wittenberger Universität kam vor allem durch ihn zu Weltruhm,
der bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts anhielt. In seinen Vorlesungen
und Seminaren saßen zeitweise über 2000 Studenten -
weit mehr als bei Luther. Zahlreiche Schulgründungen, die
Abfassung von Lehrbüchern, neue pädagogische Konzepte
(man denke nur an seine Antrittsrede an der Wittenberger Universität
im Jahre 1518) und eine Vielzahl von Gutachten über pädagogische
Fragen haben ihm früh großen Ruhm eingebracht. Ihm
wurde schon zu Lebzeiten der Ehrentitel "Praeceptor Germaniae"
(Lehrer Deutschlands) verliehen. Die Wirkung seiner pädagogischen
Schriften und Aktivitäten reichte jedoch weit über die
Grenzen Deutschlands hinaus. Wirkungen z.B. in Skandinavien und
Osteuropa sind vielfach nachweisbar. Melanchthon als Praeceptor
Europae?
Er systematisierte mit seinem pädagogischen Geschick die reformatorischen Gedanken in Form der "Loci Communes" und ist der Vater einer evangelisch geprägten Bildung in neuen Formen von Schule und Universität. Vor allem die von Melanchthon maßgeblich beeinflußte und durchgeführte Kirchenvisitation hatte eine beschämende Unwissenheit des Volkes und der Geistlichen ans Licht gebracht. Melanchthon hatte verstanden, daß die Notwendigkeit, den Schulen, Universitäten und Kirchen eine haltbare Organisation und einen klaren inhaltlichen Rahmen zu geben, eine der dringlichsten Aufgaben der reformatorischen Bewegung geworden war. Seine Schrift
"Unterricht der Visitatoren" aus dem Jahr 1528 gibt davon Zeugnis
Melanchthon war oftmals Hauptverhandlungsführer auf Reichstagen und bei Disputationen und übernahm nach dem Tode Luthers die Führung. In diesen Jahren, als sich die Reformationbewegung mehr und mehr aufsplittete, sich theologisch differiert denkende Lager bildeten, ist Melanchthon oft angefeindet worden - seine Stellung als Haupt der Reformation nach dem Tode Luthers wurde jedoch nie ernsthaft in Frage gestellt.
Er ist aber immer Pädagoge, Lehrer und Professor geblieben; hierin sah er seine Hauptaufgabe: Dem Menschen das Rechte, Wahre zu lehren, bedeutete für ihn, ihn auf den Weg zu Gott und zu sich selbst zu bringen.
"Die Jugend in den Schulen vernachlässigen, heißet nichts anderes , als den Frühling aus dem Jahre hinwegnehmen. Wahrhaftig die nehmen den Frühling aus dem Jahre hinweg, welche die Schulen verfallen lassen, weil ohne sie die Religion nicht erhalten werden kann. Und schreckliche Finsternisse werden in der ganzen bürgerlichen Gesellschaft die Folge sein, wenn man das Studium der Wissenschaften vernachlässigt."
Melanchthon, immer in der Dualität seiner humanistischen Ausbildung auf der einen und seiner Begeisterung für die Reformation auf der anderen Seite verfangen, hat dieses Spannungsfeld nie verlassen. Hierin lag für ihn die Gefahr, mißverstanden zu werden und die Chance, wesentliche Dinge nicht aus dem Blick zu verlieren.
"Ich bin ganz und gar der Meinung, daß wer in geistlichen oder weltlichen Dingen etwas unternehmen will, sehr wenig ausrichten wird, wenn er nicht zuvor seinen Geist in den humanen Wissenschaften reichlich geübt hat."